Dienstag, 6. November 2012

Hurra, die Schule ist aus!!!

Meine Vision wird klarer: Wie wäre es, die Schule abzuschaffen, anstatt zu versuchen, die Schule immer lebensähnlicher zu machen, immer vielfältigere Lernsituationen zu kreieren? Wie wäre es, wenn die Kinder zurück ins Leben dürften, an den Ort, wo es keine Hausaufgaben und Klassenarbeiten gibt? Wie wäre es, wenn alle im Berufsleben neben dem Elternjahr Zeit hätten für Mentorentätigkeiten, ja, wenn es sogar zu den selbstverständlichen Aufgaben gehörte, im Rahmen der eigenen Berufstätigkeit mit Heranwachsenden unterschiedlichen Alters zu tun zu haben?  Wie wäre es, wenn Schulen auch Handwerksbetriebe, Musiksääle, Sprachschulen, Softwareschmieden, Textredaktionen wären - und umgekehrt?

Kritische Fragen: Wie kannst du dann Bildungsabschlüsse garantieren, die in das europäische Kompetenzraster passen? Was machen dann die Lehrer? Gibt es dann gar nichts mehr, was alle Kinder verlässlich lernen? Selbst wenn wir das Ziel gut fänden, wie soll das schrittweise gehen? Brauchen Kinder nicht auch das Klassenzimmer als Heimat? Wo sollen wir solche Vernetzungen auf dem flachen Land, sagen wir mal in der Uckermark hinkriegen? Was ist mit all den Kindern, die keinen Bock auf gar nichts haben?
"Hurra, ich bin begrenzt"(Gunther Schmidt per Hörensagen) - die Zahl der Fragen darf ruhig noch lange wachsen.
Hier, in Heidelberg, für meine Umgebung (Altstadt), meine Klientel (Gymnasium), meine "Fächer" (Deutsch und Englisch) kann ich mir vorstellen:
- Ausbildung zu Stadtführern (in der Fremdsprache, Literatur-/Themenführungen)
- Sprachtandems mit den ausländischen Studenten, die zum Deutschlernen hierher kommen
- Fühler ausstrecken zum Institut für Übersetzen und Dolmetschen
- konsequenter Ausbau von Austauschen mit dem Ziel, das alle mindestens 3 Monate im Ausland sind und Geld dabei kein Hindernis ist
- Schülerzeitung gestalten im "Unterricht", nicht mit erschöpften Schülern, die das auch noch irgendwie in ihre übervollen Tage quetschen
- Deutsch"unterricht" = Lesezeit!!!! Reading Group-Atmosphäre

Kriterien der Schulentwicklung sind dann: Wie viele Schüler haben wie viel Zeit außerhalb der Schule verbracht? Und umgekehrt: Wie viel "Unterrichtszeit" haben Experten von außerhalb für wie viele Schüler gestaltet? Und dann jeweils: Wie können wir diese Zahlen steigern?


Freitag, 12. Oktober 2012

Die Zukunft im Heute denken

Wie können wir die Zukunft im Heute denken? Das interessiert mich auf (mindestens) drei Ebenen:
- Wie kann man den Prozess einer kommunale Schulentwicklung so gestalten, dass in wertschätzender Weise all das, was ist - und gut ist, gut gemacht wird - aufgenommen wird und darin - bei den Akteuren -  jeweils die Impulse aufnimmt für mutige, authentische Schritte in eine Zukunft des Lernens, das eben auch ein Lernen für eine offene Zukunft ist?
- Wie kann ich konkret meinen Schülern Instrumente zur Orientierung anbieten, die in der Phase des Übergangs von der Schule "hinaus" ins Leben hilfreich sein können?
- Wie kann ich für mich persönlich, bei Alltagsproblemen und Fragen der Lebensgestaltung,  lernen, Lösungsansätze in der Gegenwart besser, schneller und genauer zu erspüren, also kürzer in Problemtrancen zu verharren?

 "Presencing" ist eine Methode, die sich in diesem Zusammenhang interessant anhört. Presencing ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus "present" - Gegenwart - und "sensing" - Spüren. Dabei geht es darum, einen Zustand erhöhter Aufmerksamkeit  zu erreichen, der es Individuen und Gruppen ermöglicht, "to shift the inner place from which they function" - also, innerlich einen neuen Standpunkt einzunehmen, von dem aus sie ihre Welt, ihr Problem, ihre Alltagsroutinen, ihre blinden Flecken beleuchten können. Im Prinzip ist das genau dieser Moment, der passiert, wenn wir mit den Streichhölzern in der Ebene nicht mehr weiterkommen, erkennen, das wir für die Lösung den Raum brauchen, auf einmal ganz schnell die Lösung haben, und im Nachhinein feststellen, dass wir die Streichhölzer zunächst ja schon vertikal , in den Raum reichend, in der Hand hatten - aber routinemäßig von unserem blinden Fleck ausgegangen waren, also,  mit den Streichhölzer auf dem Tisch herumspielten.

Presencing gehört zu der "Theory of U", die Otto Scharmer, ein Dozent am MIT (Massachussetts Institute of Technology) entwickelt hat und in der Unternehmensberatung einsetzt.
Auf seiner Webseite bietet er großzügig seine Werkzeuge zum Download an.

Unter den Projekten, die sich auf seiner Seite präsentieren, ist auch ein spannender Film von einem Learning Lab der Universität Amsterdam: Eine Gruppe von - ja, Elitestudenten - lässt sich auf einen Pioneers Workshop ein, bei dem sie allerhand Selbst-, Gruppen- und Projekterfahrung sammeln und schließlich ihr weiteres Lernen selbst in die Hand nehmen. Beim ersten Treffen werden sie nachts, mit Taschenlampen, auf den Friedhof geschickt - ohne Agenda, ohne Aufgabe, einfach mit der Vorgabe: Hier ist soviel Zeit, hier ist ein Ort. Jetzt tut, was ihr wollt. Und schon findet Lernen statt! Natürlich ist der Friedhof ein hochsymbolischer Ort, so liegen Beschreibungen wie "man muss vom Ende her Denken", "Die Zeit ist knapp", "Man weiß nicht, wie die nächste Phase aussieht", "Ich habe darüber nachgedacht, was auf meinem Grabstein stehen soll" nahe. Einmal kommt der Dozent nicht zum Treffen - und nach 30 Minuten Plauderei fangen die Studenten an, sich darüber auszutauschen, was sie eigentlich machen wollen, und starten allerhand Projektideen, so dass sich der Dozent, als er endlich sehr verspätet eintrifft, im Sessel zurücklehnen kann. Ob die Projekte - ein Wasserstofftaxiservice, eine Webseite für gute Taten - wirklich die Welt verändern, ist nicht so wichtig, aber auf dem Weg dorthin, haben die Studenten sich mit allen Sinnen gespürt und sich auf vielen Ebenen neu erlebt (einen Mentor finden, vor einer Gruppe von Professoren sprechen, eine Diskussion leiten, Begeisterung und das Abflauen von Begeisterung erleben). Auf den letzten Bildern planen sie, wie sie im nächsten Semester weitermachen wollen. Einer schlägt eine schriftliche Prüfung vor, damit sie auch die Theorie bearbeiten. Dagegen viele Stimmen: Nein, dieser Kurs ist gerade darüber, dass wir keine schriftliche Prüfung brauchen.

Dieser Film zeigt deutlich, dass es wirklich gar nicht so sehr darum geht, gute neue Ideen zu haben - die gibt es haufenweise, überall, und wenn nicht, sind sie schnell entwickelt - sondern darum, alle Beteiligten, Lernenden in einen Prozess mitzunehmen, der es jedem Einzelnen ermöglicht, sich in einer Gruppe mit seinen stärksten Motivationsimpulsen einzubringen. Wenn das gelingt, überträgt sich diese gute Energie auf das Gesamte, die Summe ist dann viel, viel mehr als alle ihre Teile.

Warum gönnen wir uns das eigentlich nicht öfters?





Mittwoch, 12. September 2012

Bayern progressiv!

"Man sieht, dass man viel mehr machen kann als man denkt", sagt eine FDP-Bildungspolitikerin beim Besuch dieser Schule in Bayern. Wenn die das schon in Bayern glauben!!! Dann ist hier alles möglich!!!

Donnerstag, 6. September 2012

Schwanger mit Systemik

Besonders in der ersten Schwangerschaft ging es mir wie den meisten Frauen: Kaum wusste ich um meine anderen Umstände, war die Welt voller schwangerer Frauen. Mit Chemo ist es genauso: Auf einmal tragen viel mehr Frauen Kopftücher und Perücken. Ditto Systemik - überall Spuren und Zeichen und Verwandtschaften:

z.B. Kleist: "Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken sind  grün - und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzutut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint."

z.B Carolyn Christov-Bakargiev, Kuratorin der  diesjährigen Documenta (von manchen als dogumenta bezeichnet, weil es allerhand Hundekunst zu sehen gibt): "Mich interessiert, wie Wissen entsteht...Mein größter Einfluss ist der griechische Philosoph Sextus Empiricus... er sagte: Wir können niemals festes Wissen haben, wir können die Realität nicht erkennen, und wir wissen nicht, wie zum Beispiel ein Hund die Wirklichkeit sieht. aber wir können Trödelmarkt nach Wissen suchen.... Ich möchte ... etwas sehr Schwieriges versuchen: Der Prozess des Künstlerischen soll sich emanzipieren von Vorgaben, die Autorität des Künstlerischen soll gestärkt werden"  (Ersetze Künstlerisch durch  Lernender und das wäre dann genau das Ziel für die Schulentwicklung.)
"Es wäre schön, wenn eine Haltung entsteht, nämlich, dass es in Ordnung ist, alles, was man angeblich weiß, durcheinanderzuwirbeln, und noch einmal von vorne anzufangen."
z.B.: Tino Seghal, ein deutscher  Konzeptkünstler, der in der Turbinenhalle im Modern Tate in London eine sehr systemisch anmutende Arbeit zeigt (darüber habe ich nur gelesen, er hat auch was auf der documenta, das hoffe ich am Samstag zu sehen) 70 "Erklärer" - Laien und professionelle Tänzer aus London - bewegen sich in bestimmten Formationen durch die Halle, singen, und verwickeln die Besucher in Dialoge. All das übt er vorher mit den Beteiligten ein: Welche Momente in Eurem Leben fallen Euch ein, in denen ihr ein Gefühl von Ankommen, von Sehnsucht, von Zufriedenheit und von Unzufriedenheit hattet? Dennoch ist das Ergebnis, der Effekt, das Kunstprodukt nicht vorhersehbar, denn es entsteht immer wieder in der Interaktion. So tanzt ein Besucherpaar, das vergeblich versucht hat, einen geraden gemeinsamen Weg durch die Tänzer zu finden, auf einmal lachend einen Walzer. So  richtig passt Tino Seghal in keine Schublade, "Konzept", ja schon, irgendwie auch Performance, aber diese Bezeichnung mag er nicht: "Das Konzert, die Kirche, das Theater passen irgendwie nicht mehr in unsere Zeit. Im Theater machst Du einmal  etwas für 800 Leute, aber wir könnten 800 Mal etwas für eine Person tun."  Genau den Wandel wollen wir doch auch in der Schule hinkriegen: Unterricht, in dem jedes einzelne Kind jeden Tag seine eigene Lernlandschaft durchwandert - mal allein, mal zu zweit, mal in Gruppen. Lernsituation, die gut vorbereitet sind, und zwar mit dem Ziel, unterschiedliche Lernerfahrungen möglich zu machen, so dass der Ausgang offen ist. 
Der New Yorker-Artikel über Tino Seghal heißt "The Question Artist" - Fragen stellen, die dazu führen, dass neue Perspektiven, Denkformen, Erlebnisse, Erfahrungen möglich werden. Das sehe ich als Kern systemischen Denkens, und das definiert auch Lernen. 



Dienstag, 28. August 2012

Projekt Herausforderung

Ein Herzstück des Lernens an der esbz ist das Projekt Herauforderung. Dabei stellen sich alle Schüler der Mittelstufe (Klaase 8-10) eine dreiwöchige Aufgabe, die für sie persönlich eine echte Herausforderung darstellt. Etwas, für das sie sich anstrengen müssen, das sie an ihre Grenzen führt, womit sie auch scheitern können. Sie können sich dieser Aufgabe allein, zu zweit oder in Grüppen stellen. Jeder kann 150 Euro ausgeben, alle müssen Berlin verlassen. Wer keine feste Unterkunft hat, wird von Lehrern und Referendaren begleitet.
Die Beispiele sind vielfältig: Eine Schülerin schreibt einen 300seitigen Roman, eine Kleingruppe entwirft ein Modelabel, eine Band probt mit dem Musiklehrer eigene Lieder, eine Gruppe radelt an die Ostsee, um Dünen abzuplaggen, eine andere wandert durch Korsika, ernährt sich von Tütensuppen und Müsli mit Pulvermilch und kocht dann Brombeermarmelade auf dem Campingkocher. 
Alle dokumentieren und präsentieren ihre Ergebnisse auf einem Schulfest. Alle kommen "selbstbewusst, geerdet, gewachsen" zurück. Auch die Lehrer und Begleiter machen neue Erfahrungen, mit sich, mit den Schülern, mit ihren Fächern und Themen. Die Eltern lernen loszulassen, Vertrauen.
Wie einfach! 
Meine beiden Jüngsten verbringen diese Ferien großteils gemeinsam mit ihren 5 Cousins und Cousinen. 4 Jungen, 3 Mädchen zwischen 11 und 14, das 7-Zwerge-Camp. Es gibt kein Programm (der eine Tag Segeln, der gebucht war, endete mittags wegen zu starken Regens - der einzige Schlechtwettertag in diesem ganzen wunderbaren Sommer). Und so organisieren sie sich jeden Tag als Herausforderung: 200 mal rutschen im Freibad, Salto vom Ein-Meter-Brett, 3-gängiges Menü für alle kochen, servieren und die Küche wieder saubermachen, hier im Hotel um 7 Uhr morgens! freiwillig! den Fitnessraum aufsuchen, immer längere Wörter bei tot-töter-Geist, lange Sessions mit Großer Dalmuti und Wizard.
Manchmal spielen wir abends alle zusammen Werwolf, heute waren wir zusammen in einer Käserei, aber im wesentlichen machen sie ihr eigenes Ding - es ist fast schon umgekehrt so, dass wir Erwachsenen das Gefühl haben, wir würden doch auch gerne mal wieder was von den Kindern mitkriegen.
Ja, in den Ferien, klar, da funktioniert das überall, höre ich die Zweiflerin auch in mir. Und echte Aufgaben sind das doch auch nicht. Aber das stimmt nicht. Sie tun, was sie wollen, unter den gegebenen Umständen, in Absprache miteinander. Sie gestalten ihr Leben. Sie lernen voneinander, miteinander, in unterschiedlichen Gruppierungen - Joris hat in Neuseeland Kraulen gelernt und gibt Joni und Tinu Tipps, Julia und Lenja flechten Bändchen, alle Jungens lesen "Die Tribute von Panem", oft werden "Minecraft-Welten" geplant (Computer gibt es leider :-)) nicht...), überhaupt wird viel geredet und gelacht (und klar, es ist auch manchmal laut)
Ich bin ziemlich sicher,  dieser Sommer wird ihnen bleiben, vielleicht länger als mancher Reisesommer. Auf jeden Fall mehr Erinnerungen als aus dem ganzen Schuljahr...
Ich erinnere mich ja aus meiner eigenen Schulzeit - wie doch fast jeder! - an so gut wie keine Schulstunde mehr, von Mathe weiß ich nichts mehr außer, dass f von x schrecklich sinnlos erschien, von Bio noch der Zitronensäurezyklus und wie Herr O. den Muskel erklärt hat und dabei mit der anderen Hand ein bisschen nachgeholfen hat, damit das Profil im Tageslichtprojektorlicht ein bisschen besser aussah, und wie ich mit C. in Physik unendliche Partien Mastermind gespielt habe. Anekdoten eben!
Und die darin gespeicherten Erfahrungen? Unterricht ist langweilig, entweder ist der Stoff zu schwer, oder zu leicht (Französisch! Doppelstunden Grammatik im LK! Wie oft ist mir der Kopf fast auf den Tisch gefallen!) Gelernt habe ich viel über Menschen - vieles, was wir  im Unterricht so getrieben haben, waren im wesentlichen doch Experimente, wie Lehrer auf Provokation und Desinteresse, im selteneren Falle auf Engagement und Neugier reagieren. 

Nachtrag: Ich wollte meine These, dass Kinder in altersgemischten Gruppen ohne jede Hilfe ihren Alltag so gestalten, dass sie sich 1) Herausforderungen suchen und 2) von und miteinander lernen, durch eine Umfrage unter den 7 Zwergen stützen. Dieser Versuch ging gründlich daneben. Die Frage  "Was habt ihr so gelernt in den letzten Wochen?" löst nur Stöhnen aus. Das Wort "lernen" ist bei all diesen gut angepassten, notenmäßig erfolgreichen bis sehr erfolgreichen Schülern 100% negativ konnotiert. Schade, eigentlich...

Freitag, 17. August 2012

Und was sich daraus machen lässt

So, und jetzt bin ich schon ganz in der Wolke...
der Artikel hat mich nämlich zu dem Buch "EduAction.Wir machen Schule" von Margret Rasfeld und Peter Spiegel geführt, das ich dann in der Nacht verschlungen habe.

Die esbz - Evangelische Schule Berlin Zentrum - ist eine Schulneugründung mit all den bekannten Elementen - Projektunterricht, Lernbüros, Altersmischung, soziales Lernen, die aber ja doch immer wieder neu -vor Ort - erfunden werden müssen. Mich überzeugt vor allem die ganz klare Vision  (eine Agendaschule! Wie sich alles fügt! Meine pädagogische Arbeit im Referendariat war ein e-mail-Austausch im Englischunterricht zu Agendathemen!)

Brauchen wir als Gruppe eine gemeinsame Vision? Oder reicht das Gefühl, das sich bei der ersten Begegnung schon eingestellt hat, das es passt? Wenn unsere Vision die ist, dass wir bestehende Schulen ermutigen wollen, sich ihre eigene Visionen zu leisten, erübrigen sich dann inhaltliche Vorstellungen unsererseits? Haben wir Lust, darüber mal zu reden? Gehört das zum "Drüberfliegen, mit Ruhe anschauen" (Mechthild) und "Puzzleteile sammeln" (Airan Berg), über das wir beim ersten Treffen gesprochen haben?

Oder darf es auch ganz schnell ganz konkret werden? Dazu:
- Die StädteRegion Aachen in Kooperation mit dem Land NRW bietet Schulen eine kontinuierliche und längerfristige externe Begleitung bei Schulentwicklungsprozessen an. 30 von 190 Schulen in der Region nehmen das Angebot an! Es kann also gelingen, Land und Kommune unter einen Hut zu bringen! Zum Beispiel könnte man in einer solchen Kooperation ein Papier entwickeln, dass Schulleitern aufzeigt, wie weit ihr Spielraum geht, auch innerhalb der bestehenden Gesetze. Also: Wie lange kann man Noten weglassen? Welche Freiheiten kann man sich mit der Stundentafel nehmen? Inwieweit ist Altersmischung in weiterführenden Nicht-Gesamtschulen möglich?

Seit 4 Jahren veranstaltet das Aachener Bildungsbüro auch einen Bildungstag, genau mit dem Ziel, Mut zu machen, zu inspirieren und sich inspirieren zu lassen. Auf sowas habe ich große Lust!!! Im Luisenpark!!! Gespräche am See!!

- An der Humboldt-Viadrina School of Governance wird gerade ein Education Innovation Lab gegründet, das Bildungsinnovationen stärken und stützen will, und über Implementierung und Skalierung nachdenken will. Dazu soll auch eine Internet-Platform entwickelt werden, und innerhalb dieser eine "Box for Change" mit Materialien wie UNESCO, UNO-, Ministeriumstexten, aber auch Materialien zur Potenzialentfaltung, darunter stelle ich mir konkret vor 'Lernbüromaterial für Englisch Klasse 7 - 9'.  Vernetzung auf höchster Ebene! Finde ich gut!

- An der esbz gibt es für die 8.-10. Klassen ein Projekt Herausforderung, bei dem die Jugendlichen sich für 3 Wochen eine Aufgabe außerhalb Berlins suchen (Radtouren und Wanderungen, aber auch Buch schreiben und Bandproben). Die Aufgabe formuliert eine Lehrerin der Schule so: "Ich finde eine zu meinen Interessen passende Herausforderung und muss mich anstrengen, etwas zu erreichen, was auch schiefgehen könnte." Zu sehen und zu begleiten, wie Jugendliche solche wichtigen Erfahrungen machen, stärkt und ermutigt auch die Lehrer sehr!
Diesen Ball würde ich gerne aufnehmen und so weiterspielen:  eine Art Fragebogen/Interviewleitfaden entwickeln, der darauf hinzielt, Visionen zutage zu fördern und gleichzeitig im Sinne einer Auftragsklärung hilft, Räume auszuloten, in denen die Bereitschaft für Veränderung da ist, weil Akteure da echte Sehnsüchte habe.  Also etwa: Welche erfüllenden, beglückenden Erfahrungen mit Schülern habt ihr gemacht? In welchen Momenten war es wunderbar, Lehrer zu sein? Welche Erfahrungen/Stärken/Hobbies würdet ihr gerne mit Schülern teilen? Wie? Wann? Wo?

Mittwoch, 15. August 2012

"Nichtstun...

Und was sich daraus machen lässt" heißt das Augustheft von dem Wirtschaftsmagazin brand eins. Ich kaufe es in der lustlosen Stimmung nach der (letzten!!!) Chemo - weil ich ja seit der Diagnose am 29. März mal wieder versuche, Expertin dafür zu werden. Mit wechselndem Erfolg, wie schon beim ersten Langzeitversuch in der Kinder-Auszeit. Nichtstun ist nämlich nicht wirklich leicht, eigentlich gehört es auch zu den Dingen, die wir als Kinder wunderbar können, und später dann zu oft mit schlechtem Gewissen absolvieren, mit Medienkonsum wegdrücken oder mit Erlebnis-Konsum vollstopfen.

Vorbilder: Vincent, Tinu und Joni am Chiemsee
Ich blättere also mäßig aufmerksam durch das Heft und lande bei dem Artikel "Unternehmen lassen. Wie bereiten wir Menschen auf eine Welt vor, die wir nicht kennen?- Ausblicke in die Bildungslandschaft von morgen." Aha, mal wieder ein Artikel über Schülerfirmen, denke ich, ein Thema, dem ich ambivalent gegenüberstehe: Einerseits sehe ich darin Möglichkeiten für Schüler, zu gestalten, etwas "Echtes" zu tun, Erfahrungen zu machen, andrerseits fände ich es schade, wenn uns Pädagogen als einziger neuer Motivationsmotor nur Gewinnstreben einfiele.
Doch der Artikel bringt es dann doch genau auf den Punkt: "Wie werden Menschen, egal welchen Alters, wissbegierig? Wie weckt man ihr Interesse? Wie hilft man ihnen, etwas zu entdecken, für das sich sich begeistern können?" Bei Schülern gelingt mir das immer mal wieder ganz gut, die ursprüngliche Neugier und Experimentierlust und Lebensfreude hält sich ja auch im Standardschulbetrieb zäh bis in höhere Klassen, schwieriger wird es aber bei Kollegen. Und doch finde ich gerade das eine ganz wichtige Frage: Welche Erfahrungen können es Kollegen mit 5, 10, 20 Dienstjahren auf dem Buckel ermöglichen, den Punkt in sich zu finden, wo sie trotz Schulalltag, im Schulalltag Lust haben auf Veränderung? Welchen Rahmen, welchen Raum der Wünsche (Harry Potter, Band 5, siehe späterer Post) könnte man dazu anbieten? Wenn ich den Schülern gegenüber eine neue Haltung einnehme (von dem brand eins Autor Carsten Jasner so zusammengefasst: "Die Schule macht Angebote, aber der Schüler entscheidet, was er braucht. Der Lehrer steht ihm bei, nicht mehr vor. Der Lernende als Entdecker und Abenteurer."), dann möchte ich ja mit genau dieser Haltung auch dem Schulentwicklungsprozess begegnen.
Tabu scheint mir für den Anfang alles, was mehr Arbeit macht und lästig ist: Formulare, Strukturpläne, Reporting. Hilfreich ist alles, was Beziehungen untereinander stärkt: Lehrerausflüge, Wandernachmittage, Gespräche im Lehrerzimmer jenseits von Klagen und Frust ablassen, Studienfahrten und Ausflüge, bei denen Zeit ist, miteinander zu reden, vor allem aber: eine Variante von Water-Cooler-Kultur. Wenn wir uns diesen Freiraum schaffen würden, ernsthaft,  dann müsste schon mal das ganze Stundenplangehetze über Bord gehen! Weil wir dann eben mal im Lehrerzimmer vorbeikämen, um dies oder das zu organisieren oder zu tun, während die Schüler sich sinnvoll selbstorganisiert beschäftigen, und dabei spontan ein Pläuschchen mit dem Kollegen halten können. Das wäre dann genau so ein Moment von Nichtstun, aus dem was werden könnte, weil eben diese eine Idee nur in diesem einen Moment in der Begegnung zwischen diesen Menschen geboren werden konnte.