Mittwoch, 12. September 2012

Bayern progressiv!

"Man sieht, dass man viel mehr machen kann als man denkt", sagt eine FDP-Bildungspolitikerin beim Besuch dieser Schule in Bayern. Wenn die das schon in Bayern glauben!!! Dann ist hier alles möglich!!!

Donnerstag, 6. September 2012

Schwanger mit Systemik

Besonders in der ersten Schwangerschaft ging es mir wie den meisten Frauen: Kaum wusste ich um meine anderen Umstände, war die Welt voller schwangerer Frauen. Mit Chemo ist es genauso: Auf einmal tragen viel mehr Frauen Kopftücher und Perücken. Ditto Systemik - überall Spuren und Zeichen und Verwandtschaften:

z.B. Kleist: "Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten, so würden sie urteilen müssen, die Gegenstände, welche sie dadurch erblicken sind  grün - und nie würden sie entscheiden können, ob ihr Auge ihnen die Dinge zeigt, wie sie sind, oder ob es nicht etwas zu ihnen hinzutut, was nicht ihnen, sondern dem Auge gehört. So ist es mit dem Verstande. Wir können nicht entscheiden, ob das, was wir Wahrheit nennen, wahrhaft Wahrheit ist, oder ob es uns nur so scheint."

z.B Carolyn Christov-Bakargiev, Kuratorin der  diesjährigen Documenta (von manchen als dogumenta bezeichnet, weil es allerhand Hundekunst zu sehen gibt): "Mich interessiert, wie Wissen entsteht...Mein größter Einfluss ist der griechische Philosoph Sextus Empiricus... er sagte: Wir können niemals festes Wissen haben, wir können die Realität nicht erkennen, und wir wissen nicht, wie zum Beispiel ein Hund die Wirklichkeit sieht. aber wir können Trödelmarkt nach Wissen suchen.... Ich möchte ... etwas sehr Schwieriges versuchen: Der Prozess des Künstlerischen soll sich emanzipieren von Vorgaben, die Autorität des Künstlerischen soll gestärkt werden"  (Ersetze Künstlerisch durch  Lernender und das wäre dann genau das Ziel für die Schulentwicklung.)
"Es wäre schön, wenn eine Haltung entsteht, nämlich, dass es in Ordnung ist, alles, was man angeblich weiß, durcheinanderzuwirbeln, und noch einmal von vorne anzufangen."
z.B.: Tino Seghal, ein deutscher  Konzeptkünstler, der in der Turbinenhalle im Modern Tate in London eine sehr systemisch anmutende Arbeit zeigt (darüber habe ich nur gelesen, er hat auch was auf der documenta, das hoffe ich am Samstag zu sehen) 70 "Erklärer" - Laien und professionelle Tänzer aus London - bewegen sich in bestimmten Formationen durch die Halle, singen, und verwickeln die Besucher in Dialoge. All das übt er vorher mit den Beteiligten ein: Welche Momente in Eurem Leben fallen Euch ein, in denen ihr ein Gefühl von Ankommen, von Sehnsucht, von Zufriedenheit und von Unzufriedenheit hattet? Dennoch ist das Ergebnis, der Effekt, das Kunstprodukt nicht vorhersehbar, denn es entsteht immer wieder in der Interaktion. So tanzt ein Besucherpaar, das vergeblich versucht hat, einen geraden gemeinsamen Weg durch die Tänzer zu finden, auf einmal lachend einen Walzer. So  richtig passt Tino Seghal in keine Schublade, "Konzept", ja schon, irgendwie auch Performance, aber diese Bezeichnung mag er nicht: "Das Konzert, die Kirche, das Theater passen irgendwie nicht mehr in unsere Zeit. Im Theater machst Du einmal  etwas für 800 Leute, aber wir könnten 800 Mal etwas für eine Person tun."  Genau den Wandel wollen wir doch auch in der Schule hinkriegen: Unterricht, in dem jedes einzelne Kind jeden Tag seine eigene Lernlandschaft durchwandert - mal allein, mal zu zweit, mal in Gruppen. Lernsituation, die gut vorbereitet sind, und zwar mit dem Ziel, unterschiedliche Lernerfahrungen möglich zu machen, so dass der Ausgang offen ist. 
Der New Yorker-Artikel über Tino Seghal heißt "The Question Artist" - Fragen stellen, die dazu führen, dass neue Perspektiven, Denkformen, Erlebnisse, Erfahrungen möglich werden. Das sehe ich als Kern systemischen Denkens, und das definiert auch Lernen.